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Hinduismus.ZUR VOLKSKUNDE. LXI Empfindungen hegen, wie das auch sonst in der Welt der Fall zu
sein pflegt. In ihrer theologischen Anschauung gehen die beiden
râmaitischen Schulen, die südliche und nördliche, darin auseinan-
der
, daß die erstere sich zu der Katzenlehre, die letztere zu der
Affenlehre bekennt. Nach der Katzenlehre errettet Gott (Râma)
den Menschen, wie die Katze ihre Jungen aufnimmt, d. h. ohne
Zutun und ohne freien Willen des Menschen; nach der Affenlehre
muß der Mensch, um gerettet zu werden, Gott zustreben und sich
an ihn klammern, wie ein Affe an seine Mutter.

Die beiden großen Religionsgemeinschaften der Krischnaiten
und Râmaiten sind nicht immer streng voneinander geschieden
gewesen, sondern weisen in ihrer geschichtlichen Entwicklung
mancherlei Schwankungen und Übergänge auf. Beiden gemeinsam,
also ein Merkmal des gesamten Vischnuismus, ist die starke Be-
tonung
der Gottesliebe (bhakti), die in ihren ersten Spuren schon
im frühesten Altertum nachweisbar ist und daher mit Unrecht auf
christlichen Einfluß zurückgeführt wird. Der Reisende wird gut
tun, sich die höheren im Hinduismus lebenden Gedanken zu ver-
gegenwärtigen
, wenn er sich von dem groben Polytheismus und
wüsten Fetischdienst der großen Masse angewidert fühlt. Wer sein
Urteil über die heutige Religion der Hindus nur nach dem Götzen-
dienst
fällt, den er in den Tempeln üben sieht, urteilt einseitig
und ungerecht.

Von den vischnuitischen Sektenstiftern der Neuzeit, die zum
Teil mit Grundprinzipien des Brahmanismus gebrochen haben, ohne
aber den Zusammenhang mit ihm aufzugeben, können hier nur die
berühmtesten angeführt werden, nach deren Namen sich ihre An-
hänger
noch heute in Indien benennen. Es sind die Râmaiten Râmâ-
nudscha
(XII. Jahrh.), Râmânanda (XIV. Jahrh.) und dessen Schüler
Kabîr, der christliche und mohammedanische Lehren annahm und
gegen jeden Götzendienst zu Felde zog; und die Krischnaiten
Tschaitanya und Vallabhâtschârya, deren Wirken in den Anfang
des XVI. Jahrhunderts
fällt. Der letzte verdient allerdings kaum
die Zusammenstellung mit den anderen von ernster Religiosität er-
füllten
Sektenstiftern, da seine Lehre auf Sinnesgenuß abzielt und
hauptsächlich für die oben angedeuteten Ausschweifungen verant-
wortlich
zu machen ist.

Eine jedem Beobachter sofort auffallende Erscheinung sind die
farbigen, aus Strichen und Punkten bestehenden Sektenzeichen, die
sich alle Hindus auf die Stirn malen oder einbrennen lassen, um
ihre Zugehörigkeit zu dieser oder jener religiösen Gemeinschaft
öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Bei den Vischnuiten laufen die
Striche in senkrechter, bei den Schivaiten in wagerechter Richtung.

Von modernen Reformbestrebungen wäre vor allem die
Religion der Sikhs zu nennen, die im Pandschâb über zwei Mil-
lionen
Anhänger zählt (vgl. S. 195). Die Sekte ist von einem Hindu